RI-Aktuell 07. September 2018

Ruhrstadt-Imker-Aktuell
Ruhrstadt-Imker-Aktuell Aktuelle Tipps zur Bienenpflege

2018 – ein besonderes Jahr ist noch nicht zu Ende

In Kürze:

  • Der Varroabefall ist da und dort nach wie vor sehr niedrig.
  • Auch im September soll es sommerlich warm werden.
  • Die „Spätsommerpflege in vier Schritten“ ist im Gange.
  • Jungvölker sachte auffüttern.
  • Die Räubereizeit hat begonnen.
  • „Wespenplage“ ausharren.

Was ist mit der Varroa los?

Seit Versand des Newsletters vom 14. Juli sind beim Verfasser e-mails aus nah und fern eingegangen. Viele Imker haben bestätigt, dass auch bei ihren Völkern der natürliche Milbenfall (bisher) sehr niedrig und häufig bei null liegt. Vereinzelt wurden „Ausreißer“ gemeldet.
„Ausreißer“ sind auch bei den Völkern zu finden, die seit Juli unter genauer Beobachtung des Verfassers stehen; und zwar „Ausreißer“ in beide Richtungen.
Zwischen Mitte und Ende August wurden etwa bei einem Viertel der Völker keine Milben in der Windel gefunden, bei einem zweiten Viertel lag der Milbenfall bei <1 Milbe/Tag und bei dem „Rest“ lag er zwischen 1 und 10 Milben/Tag. Lediglich sechs Völker (von etwa 200) verloren mehr als 10 Milben/Tag. Sie gehören zu den Völkern, die in 2018 nach dem Konzept „Teilen und behandeln“ geführt werden. Dazu wurden auch einige „Null“-Völker ausgewählt.
Die Behandlung der Teilvölker im brutfreien Zustand mit Oxalsäure (der Flugling am Tag x+2, das „Brutvolk“ am Tag x+22) löste einen Milbenfall aus, wie er nach der Gemülldiagnose, die unmittelbar vor der Teilung am Tag x durchgeführt worden war, zu erwarten war.
Die Fluglinge der ausgesuchten „Null“-Völker verloren weniger als 10 Milben. Die „Brutvölker“ waren erwartungsgemäß stärker befallen als ihre Fluglinge, beide Volkstypen aber deutlich schwächer als in den Vorjahren.
Dieses Ergebnis überrascht; denn anderswo sieht es anders aus. So meldete die Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim am 24.08.2018 „einen enorm hohen Varroabefall in den Völkern“ und dass „mehrere Tausend Milben pro Volk bereits bei der ersten (!) Behandlung in Baden-Württemberg keine Seltenheit“ sind (https://bienenkunde.uni-hohenheim.de/104406).
Hier im Westen scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Diese Diskrepanz verlangt nach weiteren Untersuchungen. Es ist abzuklären, ob diese „Milbenarmut“ von Dauer ist und wie sie zustande gekommen ist.

- Liegt es am Imker und seiner Varroabehandlung im Vorjahr, dass die Völker in 2018 milbenfrei gestartet und nahezu milbenfrei geblieben sind?

- Liegt es an den Milben? Haben sie sich verändert? Oder sie haben (da und dort) den Hitzesommer nicht vertragen?

- Oder liegt es an den Bienen, die –wie auch immer und ohne dass der Imker sich züchterisch bemüht hat– gelernt haben, die Milben im Griff zu halten?

- Oder ist das Ganze nur Zufall, wie er dem der Verfasser in den fast 40 Jahren mit der Varroamilbe immer wieder begegnet ist? Denn ein paar Völker mit sehr wenigen Milben gibt es fast jedes Jahr, in 2018 sind es (bisher) überraschend viele. Und nicht nur beim Verfasser dieses Newsletters!

Was ist zu tun?

An erster Stelle steht: weiter Milben zählen.
Zur Prüfung der vorstehend aufgezählten Hypothesen sind folgende Untersuchungen vorgesehen:
An einigen Ständen werden Völker mit sehr niedrigem natürlichen Milbenfall (vorerst) unbehandelt bleiben. Sie werden erst bzw. nur behandelt, wenn „Gefahr im Verzug“ ist. Einige Völker, bei denen der natürliche Milbenfall auch im Spätherbst und Frühwinter die Schadensschwelle nicht überschreitet, werden ohne Behandlung eingewintert.
In 2019 wird von behandelten und nicht behandelten Völkern im März eine Gemülldiagnose durchgeführt und im April/Mai der Milbenbefall der ersten Drohnenbrutwabe durch Auswaschen ermittelt. Mit dem Ergebnis wird für jedes Volk eine Prognose der Befallsentwicklung in 2019 erstellt.
Wer Interesse hat, an der Aufklärung der offenen Fragen mitzuwirken, kann sich an der Feldstudie beteiligen. Einzige Voraussetzung ist: Immer wieder Milben zählen und ein Protokoll führen.

Was war mit der Tracht los?

Eine weitere Besonderheit des Sommers 2018 war der Trachtverlauf im Juli/August. Nach der Lindenblüte setzte vielerorts - wenn auch nicht überall- Blatttracht ein. Honigtau sammelnde Bienen konnten an Eichen und Linden beobachtet werden. Da und dort hatte sich der Honigraum noch einmal mit dunklem Honig gefüllt und so eine dritte späte Honigernte möglich gemacht.
Etliche Völker haben sehr viel Honig auch in den oberen Brutraum eingelagert. Über dem Brutnest ist ein breiter Honigkranz angelegt. Man merkt beim Abheben des oberen Brutraumes, dass dieser sehr schwer ist. Bei diesen Völkern dauert es etwas länger, bis die untere Brutraumzarge brutfrei geworden ist. Wenn der Varroabefall niedrig ist (siehe oben), dann wartet man einfach ab und engt erst im September ein und behandelt anschließend mit Ameisensäure, wenn es warm genug ist. Laut Wetterprognose soll es am kommenden Wochenende sommerlich warm werden und in der folgenden Woche sommerlich warm bleiben.

Tipps zur "Spätsommerpflege in vier Schritten"

Der erste Schritt: Das Einengen
Das Einengen des Altvolkes beginnt mit dem Abheben des seit der letzten Honigernte leichten Honigraumes. Er wird „hochkant“ zur Seite gestellt. Dann wird die obere Brutraumzarge abgehoben und ebenfalls „hochkant“ zur Seite gestellt. Als nächstes wird die untere Brutraumzarge auf die umgedrehte Blechhaube gesetzt. Bei dieser Gelegenheit wird mit einem Blick erfasst, ob unten eine Bienentraube hängt und wie stark sie ist. Danach wird die obere Brutraumzarge auf den Gitterboden gesetzt und auf sie die Honigraumzarge und auf diese eine Leerzarge.
Dann werden die Waben der unteren Brutraumzarge gezogen und ihre Bienen auf das Volk in die Leerzarge geschüttelt. Diese verbleibt auf dem Volk, das mit Innendeckel und Blechhaube verschlossen wird.
Die abgeschüttelten Waben werden in einer zweiten Leerzarge gesammelt und bis zum Abtransport bienendicht abgedeckt.

Der zweite Schritt: Die AS-Behandlung

Sie erfolgt unmittelbar nach dem Einengen oder auch erst dann, wenn es laut Wetterprognose tagsüber sommerlich warm werden soll.
Säurefeste Handschuhe anziehen, Volk öffnen (Blechhaube und Deckel abheben), Dispenser mit aufgelegtem Docht auf das Volk legen, AS-Flasche aufschrauben, sich vergewissern, dass der Tropfauslauf im Flaschenhals steckt, Flasche so auf die drei Dorne des Dispensers stülpen, dass sie auf dem Docht aufsitzt, Verschlusskappe auf den Flaschenboden legen, Volk mit Innendeckel verschließen, auf den Innendeckel die Folie deponieren, Blechhaube auflegen und mit einem Stein beschweren.

Der dritte Schritt: Die Futtergabe
Am Abend! Säurefeste Handschuhe anziehen, Volk öffnen (Blechhaube und Deckel abheben), Ameisensäureflasche (sie sollte –mit 100 ml aufgesetzt- nach 3 Tagen leer sein) abheben und zuschrauben, Dispenser mit Docht entfernen und mit der Flasche in einen Eimer oder in eine Stapelbox legen. Leerzarge abheben, Folie so auf das Volk legen, dass vorn oder hinten ein Spalt bleibt, Leerzarge aufsetzen, Stapelbox einstellen und mit 12 Liter (oder mehr) Sirup füllen. Schwimmhilfe auf dem Sirup ausbreiten und eventuell auch eine Aufstieghilfe einrichten. Eventuell auch eine Sirupspur legen, ohne Räuberei auszulösen!

Der vierte Schritt: Die zweite AS-Behandlung
Sie wird nach Abschluss der Auffütterung bei passender Witterung durchgeführt.

Nicht nur behandeln, auch Milben zählen

Ameisensäure wirkt auch in die verdeckelte Brut und tötet dort Milben ab. Deswegen genügt eine Kurzzeitbehandlung von wenigen Tagen. Bei einer wochenlangen Dauerbehandlung gehen die Völker leicht aus der Brut! Jedem Brutknick folgt ein Bienenknick.

Die in der Brut getöteten Milben fallen erst, wenn die behandelte Brut schlüpft. Der durch eine 1-3 Tage dauernde Ameisensäurebehandlung ausgelöste Milbenfall hält nach Abschluss der Behandlung fast 14 Tage an. Erst danach stellt sich wieder natürlicher Milbenfall ein. Das gilt es bei der Kontrolle des Behandlungserfolges zu beachten, wenn diese über die Gemülldiagnose erfolgt, mit der der natürliche Milbenfall vor der Behandlung mit dem natürlichen Milbenfall nach der Behandlung verglichen wird.

Anwenderschutz

Das Hantieren mit offener Ameisensäure am Bienenvolk ist zu vermeiden. Diesbezüglich bieten die Medizinflaschen den Vorzug, dass sie zu Hause unter Beachtung der Arbeitssicherheit gefahrlos abgefüllt und gut verschlossen aufbewahrt und zum Bienenstand transportiert werden können. Die Behandlung eines Volkes ist im Handumdrehen erledigt. Es besteht keine Gefahr, dass der Anwender Ameisensäure auf die Hand oder in die Nase bekommt. Dennoch auch vor dem Aufschrauben und Aufstülpen der Flasche auf den Dispenser Handschuhe anziehen. Und bei jeder Flasche sofort nach dem Aufschrauben sich vergewissern, dass der Tropfauslauf in der Flasche steckt und nicht in ihrer Verschlusskappe!


Dr. Gerhard Liebig, Bochum, immelieb@t-online.de